Am 2. August gedenkt die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus MIA der letzten 4.300 Sinti und Roma, die in dieser Nacht im Jahr 1944 im NS-Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau von der SS ermordet wurden. Erst 2015 erklärte das Europäische Parlament diesen Tag zum Europäischen Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma, in Erinnerung an die insgesamt 500.000 Sinti und Roma, die im nationalsozialistisch besetzten Europa vernichtet wurden.
„Exemplarisch für die geringe gesellschaftliche Anerkennung dieser europäischen Minderheit ist auch die traurige Tatsache, dass der Holocaust an den Sinti und Roma nach Kriegsende jahrzehntelang aus der öffentlichen Erinnerung verdrängt wurde“, sagt MIA-Bundesgeschäftsführer Dr. Guillermo Ruiz Torres. In der neugegründeten Bundesrepublik fand weder eine politische noch eine juristische Aufarbeitung statt. Im Gegenteil. Erst 1982 erwirkte der damals neugegründete Zentralrat Deutscher Sinti und Roma die offizielle Anerkennung der Völkermordverbrechen.
MIA begrüßt die Entwicklung, dass das Gedenken an den Völkermord an Sinti und Roma mehr und mehr Teil der Erinnerungskultur wird. Beispielsweise hat der Deutsche Bundestag im Dezember 2023 erstmalig einen Antrag[1] verabschiedet, der das Unrecht an Sinti und Roma während des Nationalsozialismus, aber auch nach 1945 in Deutschland anerkennt. Die Verabschiedung des Antrags ist ein Meilenstein im Einsatz gegen Antiziganismus. Zu den wichtigsten Handlungsaufträgen an die Bundesregierung gehört die Unterstützung einer ständigen Bund-Länder-Kommission Antiziganismus, deren Einrichtung im Juni 2024 tatsächlich beschlossen wurde.[2]
„Trotz Fortschritten auf kulturpolitischer Ebene sind Sinti und Roma täglich von antiziganistischen Anfeindungen betroffen. Angehörige der Minderheit sind europaweit alltäglichem sowie institutionellem und strukturellem Antiziganismus ausgesetzt und erleben Ausgrenzung in jedem Lebensbereich, sei es im Bildungssystem, bei der Arbeitssuche, in Ämtern oder auf dem Wohnungsmarkt“, so MIA-Bundesgeschäftsführer Dr. Guillermo Ruiz Torres. Im Jahr 2023 registrierte das Bundeskriminalamt 171 antiziganistisch motivierte Straftaten und MIA 1233 antiziganistische Vorfälle. In beiden Fällen ist von einem riesigen Dunkelfeld auszugehen. Insbesondere angesichts des aktuellen Rechtsrucks in Europa soll der Gedenktag auch Mahnung dafür sein, sich gegen die anhaltende strukturelle Diskriminierung und antiziganistisch motivierte Feindlichkeit zu positionieren.
Angesichts des tief verankerten und anhaltenden Antiziganismus erinnert MIA daran, dass die Bekämpfung von Antiziganismus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und fordert, dass die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Antiziganismus auf der höchsten politischen Ebene angegangen wird sowie, dass Aufklärungsarbeit zum Thema in Schulcurricula mehr Platz findet.
[1]MIA begrüßt die Entscheidung des Bundestags, das Unrecht an Sinti und Roma in Deutschland anzuerkennen – Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (antiziganismus-melden.de)
[2]Pressemitteilung: Bund und Länder richten Antiziganismus-Kommission ein – Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (antiziganismus-melden.de)